Gesundheit & Lebensenergie

Ayurveda, mein Weg zu einem erfüllten Leben

Ingwerwasser, Stirnguss und Linsencurry – viele assoziieren Ayurveda mit einer indisch-vegetarischen Diät und Ölmassagen. Doch auf meinem persönlichen Weg mit Ayurveda habe ich schnell erkannt, dass ein Leben mit Ayurveda viel mehr bedeutet...

Kerstin Rosenberg,
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Was machst du? Ach so, Aloe vera , davon habe ich auch schon mal gehört... Auf diese Aussage bin ich häufig gestoßen, als ich vor mehr als 30 Jahren mit meinem Studium in Ayurveda, der traditionellen indischen Medizin begann. Damals war Ayurveda noch nahezu unbekannt und niemand wusste mit Begriffen wie Vata, Pitta, Kapha oder Panchakarma etwas anzufangen. 
Sehr viel hat sich seitdem verändert: Überall finden wir Ayurveda-Tee´s, Gewürzmischungen und Ayurveda-Kurangebote in Hotels, Resorts und Kliniken in ganz Europa und Asien.

 

Ayurveda als Navigator für ein selbsterfülltes Leben

Was ist das Besondere am Ayurveda, das mich bereits seit meiner Jugend fasziniert und nicht mehr loslässt? 
Ayurveda ist für mich eine Lebensphilosophie und Gesundheitslehre, die mein ganzes Leben, meine Persönlichkeit und berufliche Entwicklung geprägt hat. Mit Hilfe der ayurvedischen Typenlehre konnte ich bereits früh erkennen, welcher Konstitutionstyp ich bin und welche Talente und Erfolgspotentiale, aber auch Krankheitsneigungen damit verbunden sind. Wie selbstverständlich bestimmt die ayurvedische Ernährungs- und Lebensweise meinen Alltag und bereichert mich jeden Tag mit vitaler Leistungskraft, stabiler Gesundheit und genussvoller Lebensfreude. Selbst emotionale Konfliktsituationen können mit  dem Wissen um die mentalen Persönlichkeitstypen auf konstruktive Weise gelöst werden.
In diesem Sinne umfasst das „ayurvedische Wissen vom Leben“ alle Bereiche des Lebens: Von der typgerechten Kindererziehung bis zur natürlichen Körperpflege und alternativen Heilmethoden.
Ayurveda selbst definiert sich als ganzheitliches Medizinsystem mit starkem Präventionsansatz: 80% aller Ayurveda-Empfehlungen sind auf die Gesunderhaltung des Gesunden ausgerichtet und 20% des traditionellen Heilwissens dienen der konkreten Behandlung von Erkrankungen.

 

Dosha

Elemente

Funktion

zugeordete Organe und Körpersysteme

Eigenschaften

Typische Störungen

Vata

Äther/Luft

Bewegung

Nerven- und Bewegungssystem, feinstoffliche Körperstrukturen

trocken, kalt, flink, leicht, hart, rau, klar

Nervosität, Schlafstörungen, Blähungen, Verstopfung, trockene Haut, Neuralgische- und Auto-Immun-Erkrankungen, Beschwerden des Bewegungsapparats

Pitta

Feuer/Wasser

Umsetzung, Transformation

Verdauung- und Hormonssystem Stoffwechsel, Intelligenz

heiß, beweglich, flüssig, leicht ölig, sauer, scharf

Übersäuerung, Sodbennen Durchfall, Magenbeschwerden, Migräne, Hauterkrankungen, Entzündungen

Kapha

Wasser/Erde

Stabilität Synthese

Immun- und Lymphsystem

ölig, kalt, feucht, unbeweglich, schwer, weich, süß, schleimig

Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Übergewicht, Diabetes, Atemwegserkrankungen

Vata

Pitta

Kapha

Körperbau

Dünn, feingliedrig, klein oder groß

mittlere Körpergröße

stämmig, klein oder groß, großgliedrig

Gewicht

geringes Gewicht, nimmt schwer zu

Idealgewicht mit guter Muskulatur

schwer, Tendenz zur Fettleibigkeit

Haut

trocken,, rau, hervortretende Venen

leicht errötend, rotwangig, weich, Sommersprossen

feucht, dick, kühl, blass, neigt zu Wasseransammlungen

Hände

klein, kalt, rissig, schmale Gelenke

mittlere Größe, rosig, warm

kräftig, groß, fest, ölig, wenig Linien

Gefühle

spontan, ängstlich, nervös, wechselhaft

ruhig, zufrieden, anhänglich, pflegmatisch

 

Lebensweise

bewegt sich viel, reist und spielt gern, fühlt sich häufig überlastet

wettbewerbsorientiert, beruflich ergeizig, sportlich, verträgt keine Hitze

Häuslich, bevorzugt Bequemlichkeit und Komfort, sicherheitsbewusst

Du bist, was Du verdaust

Die richtige Ernährung ist ein zentrales Thema der ayurvedischen Heilkunde und wird zum großen Teil für Gesundheit und Krankheit verantwortlich gemacht. Mit der täglichen Nahrung erneuern wir täglich die drei Doshas und haben somit direkten Einfluss auf Krankheits- und Heilungsprozesse. Gemäß dem ayurvedischen Therapieansatz „Gegensätze gleichen sich aus“ sollte die tägliche Ernährung immer eine Dosha-Balance herstellen: Steigt beispielsweise das Vata bei kaltem, trockenem und windigem Wetter an, so sollte es durch eine warme, ölig-nährende Suppe ausgeglichen werden. Bei heißen Sommertemperaturen hingegen werden kühlende und basische Nahrungsmittel empfohlen.

Entscheidend für eine gesunde Ernährung ist die individuelle Qualität des Verdauungsfeuers (Agni), welches unmittelbar für die Nahrungsverwertung, Energiegewinnung und Zellerneuerung verantwortlich ist. Immer dann, wenn sich die Doshas im Ungleichgewicht befinden, vermindert sich auch die Verdauungskraft, was zu unmittelbaren Störungen führen kann:

•    Vata-Störungen führen zu einem unregelmäßigen Agni, welches unter anderem für Blähungen, Verstopfung und Nahrungsmittelunverträglichkeiten verantwortlich ist.
•    Pitta-Störungen führen zu einem zu starken und schnellen Agni, welches sich in Form von Übersäuerung, Durchfall, Sod- und Magenbrennen äußert.
•    Kapha-Störungen führen zu einem zu schwachen und langsamen Agni, was häufig Müdigkeit, Schweregefühl und Übergewicht hervorbringt.

Die allgemeinen Ayurveda-Ernährungsregeln sind darauf ausgerichtet, Agni zu stärken und die Verwertung der Nahrung zu optimieren. Ergänzend dazu verstärken individuelle Empfehlungen zum Dosha-Ausgleich – wie typgerechte Nahrungsmittelauswahl, Gewürze und Zubereitungsformen – die therapeutische Wirkung.

 

3 Ernährungsregeln für eine starke Verdauungskraft

1.    Nicht zu viel Essen! Der Magen sollte pro Mahlzeit nur zu ¾ mit Nahrung gefüllt werden, Dies entspricht ungefähr der Menge, die in 2 Handflächen passt.
2.    Regelmäßige Mahlzeiten einnehmen und unkontrollierte Zwischenmahlzeiten meiden. Optimal ist es zwischen den Mahlzeiten für 3-6 Stunden zu pausieren.
3.    Gekochte Speisen mit verdauungsfördernden Gewürzen, wie Ingwer, Kreuzkümmel, Koriander und Kurkuma bevorzugen.

 

Gewürze – Juwelen der ayurvedischen Küche

Ingwer, Kurkuma, Kreuzkümmel und Koriander – was wäre die Ayurveda-Küche ohne diese Gewürze? Die aromatischen Samen, Wurzeln und Kräuter dienen als Geschmacksträger, Verdauungsstärker und Heilmittel in der täglichen Ernährung. Die gesundheitsfördernde Wirkung der Gewürze wird mittlerweile auch von der modernen Wissenschaft bestätigt. Im ayurvedischen Kontext wirken die Gewürze als Agni-Entfacher (Deepana) und sollten in keiner Hausapotheke fehlen. So helfen beispielsweise Kurkuma bei Übersäuerung und Hautreizungen, Nelke bei Kopfschmerzen, Muskat bei Durchfall und Schlafstörungen und Ingwer ist ein Allrounder fürs Verdauungssystem. Auch heimische Küchenkräuter wie Petersilie, Basilikum und Schnittlauch unterstützen das körperliche und psychische Wohlbefinden und können sehr gut in die ayurvedische Küche integriert werden.

 

Gewürze für jedes Dosha

Vata

Ingwer, Ajwain, Asafötida, Kreuzkümmel, Muskat, Nelke, Safran, Zimt, Knoblauch (gekocht), Kardamom, Süßholz

Pitta

Koriander, Kurkuma, Fenchel, Kardamom, Vanille, Kreuzkümmel, Salbei, Petersilie, Basilikum, Minze

Kapha

Schwarzer Pfeffer, Senfsamen, Ingwer, Bockshornklee, Kurkuma, Zimt, Chili, Pippali, Petersilie, Basilikum

 

Rituale für den Alltag

„Der erste Tag deiner Krankheit ist der, an dem du mehr Energie verbrauchst, als du zurück gewinnst.“ Dieses Zitat meines ersten Ayurveda-Lehrers begleitet mich bis heute. Was tun wir uns täglich Gutes zur Energiegewinnung, um die Belastungsfaktoren des Alltags unbeschadet zu meistern?
 
Ich selbst starte meinen Tag mit heißem Wasser, etwas Pippali mit Honig und einer kleinen dynamischen Trockenmassage, um meinen Kapha-Stoffwechsel auf Trab zu bringen. Pitta-Typen hingen sollten keinesfalls auf die ayurvedische Morgenroutine mit Zungeschaben und Ölziehen verzichten, um ihren morgendlichen Säure-Basenhaushalt zu balancieren. Und für Vata ist ein entspanntes Programm mit etwas Yoga- und Atemübungen, Ölmassage und einem warmen Frühstücksbrei der optimale Start in den Tag.

Die ayurvedische Gesundheitslehre „Svasthavritta“ gibt eine Fülle von gesundheitsstärkenden Anregungen für den Alltag, aus der sich jeder Einzelne – entsprechend seiner Konstitution und Lebensweise –
das Passende heraussuchen kann. Wichtig ist hierbei, den Körper in seinen natürlichen Bedürfnissen – wie Ausscheidung, Körperdränge, Ruhe- und Aktivitätsphasen – im chronobiologischen Rhythmus zu unterstützen: 

Am Morgen sollten die natürlichen Reinigungs- und Ausscheidungsprozesse aktiviert werden. Hierzu empfiehlt Ayurveda eine Morgenroutine (Dinacarya), die mit dem Trinken von heißem Wasser (zur Verdauungsanregung) nach dem Aufstehen beginnt und eine gründliche Morgentoilette mit verschiedenen Reinigungsmethoden – wie Zungeschaben, Ölziehen, Nasenspülung, Selbstmassage – anschließt. Je nach Bedarf müssen nicht alle Methoden täglich oder von jedem ausgeführt werden.

Zur Mittagszeit ist es aus ayurvedischer Sicht unablässig die Hauptmahlzeit zu sich zu nehmen. Nun brennt das Verdauungsfeuer „Agni“ am stärksten und wir können auch schwerer verwertbare Nahrung – wie Hülsenfrüchte, Rohkost oder fettreiche Kost -  am besten verdauen. 

Der Nachmittag und frühe Abend ist eine vata-sensible Zeit, was sich durch schwankende Energieabfälle, Heißhunger und die gesteigerte Anfälligkeit für Stress-Symptome zeigt. Hier helfen nun süße Früchte, Nüsse und warme Getränke zur inneren Stabilisierung und Energiegewinnung. Gelingt es uns zusätzlich noch, einen Spaziergang an der frischen Luft oder ein ausgleichendes Yoga-Programm in den Tagesablauf zu integrieren, ist der Übergang von der aktiven, energieverbrauchenden Tagesphase in den regenerativen, energiegewinnenden Nachtzyklus perfekt.
 
Der Abend sollte von einer warmen, leichten Mahlzeit, Entspannung und Sinnesrückzug geprägt sein, um sich auf einen guten Schlaf und aktiven Gewebsstoffwechsel in der Nacht vorzubereiten. Im Bedarfsfall fördert eine heiße Milch mit etwas Muskat und Mandeln vor dem Schlafengehen den Schlaf.


Kleine Schritte – große Wirkung

Die Fülle der ayurvedischen Gesundheits- und Alltagstipps führt uns leicht in Versuchung, das gesamte Leben umkrempeln zu wollen. Doch dies ist nicht ratsam! Bereits die alten ayurvedischen Schriften betonen ausdrücklich, dass eine gesunde Lebensweise nur in kleinen Schritten auf nachhaltige Weise umgesetzt werden kann. So sollten wir maximal ein Viertel unserer alten Ernährungs- und Lebensgewohnheiten in neue umwandeln. Und erst wenn diese sich fest in unseren Alltag integriert haben, kommen neue Regeln hinzu. 
In diesem Sinne sind die kleinen Schritte der Erfolgsgarant für eine große Wirkung. Beginnen sollte jeder mit dem, was sich im eigenen Tagesablauf leicht umsetzen lässt, gut schmeckt und das Leben auf genussvolle Weise bereichert. Denn Ayurveda ist kein starres Gesundheitssystem, dass den Menschen in seiner persönlichen Lebensweise und Freiheit einschränken möchte. Im Gegenteil: Da Gesundheit aus der Balance von Körper, Geist und Seele entsteht , empfiehlt Ayurveda gerade für die Seele eine undogmatische Lebensweise mit „ungesunden“ Ausnahmen, welche den Glücks- und Genussfaktor im Alltag stärken.

Buchempfehlung für Ayurveda-Einsteiger von Kerstin Rosenberg:
Ayurveda kompakt – Heilkunst und Rezepte für Körper und Seele
SüdWest-Verlag, EUR 9.99